Nachhaltige Kritik ist eines der besten Werkzeuge, über das wir verfügen können, um einander zu helfen, unsere kreative Arbeit zu verfeinern und klarer zu gestalten. Sie hilft uns zu erkennen, ob unsere Intentionen deutlich an die ZeugInnen und/oder TeilnehmerInnen unserer Arbeit vermittelt werden. Sie hilft uns zu verstehen, was funktionierte, was nicht funktionierte und den Grund dafür zu verstehen. Ohne nachhaltige Kritik kann es viel leichter passieren, dass die Arbeit einer Person stagniert und lediglich selbstbezogen wird.

Nachhaltige Kritik…:
I. …   wird mit Erlaubnis gegeben
II. …  spricht nur für einen selbst
III. … wird rechtzeitig gegeben
IV. … ist eindeutig und klar
V. …  richtet sich auf etwas aus, was tatsächlich verändert werden kann
VI. … ist darauf ausgerichtet, die Arbeit zu bereichern u. zu unterstützen
VII. … ist stets wechselseitig

I. Es ist immer gut und höflich, eine Person zu fragen, ob sie an einem Feedback oder einer Kritik Interesse hat. Es ist nicht ungewöhnlich, dass man jemanden darauf vorbereitet, Kritik für einen spezifischen Teil im zeitlichen Rahmen zu geben. Aber es ist definitiv im Rahmen guten Hexenverhaltens Kritik zu etwas zu geben, von denen man ZeugIn und/oder bei denen man TeilnehmerIn war. Wenn man solche Kommentare anbietet ist es ist jedoch weder höflich noch weise, ein automatisches „Ja“ zu erwarten. Es liegt allein bei der gefragten Person, dich zu einer Kritik zu ermutigen. Es steht Ihnen völlig frei, „Nein, Danke“, „Danke“, „Nicht jetzt“, „Vielleicht später“ oder „Ja, bitte“ zu sagen.

II. Sprich für dich selbst, nicht für die ganze Gruppe oder für Leute, die nicht genannt werden möchten. Welche Erfahrungen hattest du? Welche Auffassungen kannst du teilen? Wenn es darum geht, einen Überblick zu geben, ist dies eine ganz andere Form der Kunst.

III. Es ist meist äußerst hilfreich und produktiv, Kritik rechtzeitig zu geben. Solange man nicht eindeutig darum gebeten wurde, ist es rücksichtsvoll und zeugt von sehr gutem Benehmen, keine Kritik für mindestens 24h nach einer Aufführung, einer Moderation/Vermittlertätigkeit, einem Ritual, einer Unterrichtseinheit usw. zu geben. Es ist etwas Gutes, den Leuten direkt nach einer Präsentation für ihre Arbeit zu danken. Es ist etwas Gutes, die Leute erst einmal nach getaner Arbeit zur Ruhe kommen zu lassen. Es ist gut, wenn sie ein wenig Zeit zum Runterkommen für sich zu haben, um über das Stück nachzusinnen. Aber auf der andern Seite ist es nicht hilfreich, zu lange zu warten. Wenn man Monate später etwas bespricht, mag es schon für die Leute zu lange zurück liegen, als das man sich noch erinnern könnte, was genau geschehen ist.

IV. Sei eindeutig und klar, wenn du Kritik gibst. Es ist großartig, wenn du sagst, dass du etwas als stark und bewegend empfunden hast, erzähle dann aber auch, warum du es eben so erlebt hast. Was genau hat dich berührt? Welcher Teil des Stückes hat dir geholfen, die Intention des Stückes zu erkennen? Was konntest du für dich nach dem Stück mitnehmen? Es ist auch in Ordnung zu sagen, wenn ein Stück für dich einfach nicht so lief, denke jedoch daran, so genau wie möglich zu erklären, warum das Stück für dich nicht funktioniert hat.

V. Beim Kritisieren solltest du daran denken, dich auf Dinge zu beschränken, die auch tatsächlich von den DarstellerInnen eines Stückes geändert werden können. Bevor man etwa den Kommentar abgibt, dass es draußen viel zu kalt für eine Wintersonnenwendfeier in Minnesota gewesen sei und anschließend die Organisatoren danach fragt, warum sie kein wärmeres Wetter bereit gestellt hätten, geziemt es sich wohl, sich selbst vor der Teilnahme an solchen Ritualen zu fragen: Komme ich mit der Temperatur zurecht? Weiß ich, wie ich mich bei kaltem Wetter kleiden sollte? Möchte ich den Winter gerne in einem beheizten Gebäude oder draußen bei welchem Wetter die Jahreszeit auch immer bringen mag feiern? Hilfreiche Kritik könnte so etwas sein, wie: Es wäre schön gewesen, hätte man noch einmal daran erinnert ,warme Sachen anzuziehen und Holz für das heilige Festfeuer mitzubringen, damit es uns hätte helfen können, warm zu bleiben. Es wäre gut gewesen daran zu erinnern, wie kalt der Wind um die Nullgrade herum ist. Es wäre schön gewesen, hätten wir einen kuschelig warmen Platz für uns gehabt, wo wir uns nach dem Ritual für die Feierlichkeiten hätten treffen können.

VI. Ich bin der Meinung, dass es am allerwichtigsten für nachhaltige Kritik ist, stets Informationen weiterzugeben, die die Arbeit bereichern und unterstützen. Hier geht es darum das Stück weiter auszubauen. Es geht darum, es schöner, stärker, beseelter, wundervoller, reinigender usw. zu machen. Es geht darum, das Stück zu verfeinern, damit es besser die Intention des Stückes ausdrücken und halten kann. Es geht nicht darum, das Stück zu zerfetzen. Es geht nicht darum, es oder seinen Schöpfer niederzureißen. Wenn man sich um nachhaltige Kritik bemüht, dann ist es essentiell, alle die Anlagen, die Eifersüchteleien, Konkurrenzgedanken und andere Unsicherheiten deines Egos zur Seite zu räumen. Es geht bei nachhaltiger Kritik darum, den klarsten Ausdruck deines authentischen Selbst hervorzubringen und es zu wagen, mit Leidenschaft und Klarheit zu kommentieren, was du auch immer während des betreffenden Stücks erlebt hast.

VII. Dieser Prozess ist wechselseitig. Es ist notwendig daran zu denken, dass wir uns selbst für Kritik öffnen, wenn wir Kritik geben.

Ein Danke an Donald L. Engstrom-Reese für die Erlaubnis der Nutzung und ein weiteres Danke an Lars Dierksen für die Übersetzung.